Thema des Monats APRIL

Rituale
oder
Hunde sind auch nur Gewohnheitsmenschen

Der Wecker klingelt. Unsere Ridgeback-Hündin Flair weiß vielleicht nicht, wie spät es ist, aber sie weiß, was jetzt abläuft. Ich drehe mich noch mal für fünf Minuten auf die linke Seite und dann auf die rechte. Flair sieht keinerlei Handlungsbedarf und liegt Schlaf vortäuschend in ihrem Korb. Dann stehe ich auf, recke mich und gehe ins Bad. Wie ein ereignisgesteuertes EDV-Programm startet Flair jetzt ihr Ritual. Sie steht auf, reckt sich (aber nicht zu lange) und klettert in mein Bett. Mit der Nase hebt sie die Decke und legt sich darunter - den Kopf auf das Kissen und möglichst dicht an Frauchen (deren Programm hat eine halbstündige "delay"-Funktion). Um mich möglichst perfekt zu imitieren, beginnt Flair bald zu schnarchen. 

Herrchen im Bad, Frauchen schläft noch, Flair schnarcht. Damit sind alle Bedingungen erfüllt für den Programmstart unserer Mischlingshündin Pepper. Sie klettert ebenfalls in mein Bett und macht es sich am Fußende bequem. Wenn ich aus dem Bad komme, sehe ich drei Mädels friedlich schlafen. Ich ziehe mich an, wecke dann Frauchen und hole anschließend Brötchen. Wenn ich zurückkomme, kocht der Kaffee und wir Menschen beginnen zu frühstücken. Nun beginnt Teil 2 des morgendlichen Rituals. Die Hunde stehen auf und eilen zu uns in die Küche. Schwanzwedelnd werden wir zuerst begrüßt und gestupst. Dann steht Frauchen auf und lässt die Hunde in den Garten. Kurze Zeit später stehen beide wieder am Frühstückstisch und wedeln und stupsen: "Herrchen, da sind wir wieder - haste mal `nen Happen ?" Nix da. "Hundeplatz !" Pepper legt sich unter den Tisch und Flair geht rückwärts, den Blick immer zu mir gerichtet, auf ihre Decke. Flair entgeht jetzt nichts, weil sie genau mitzählen muss. Also: Frauchen isst immer ein Brötchen und Herrchen eineinhalb. Weil: die letzte Brötchenhälfte bekommen die Hunde. Nämlich: ein Drittel für Pepper und zwei Drittel für Flair. 

 


Kaum habe ich den letzten Bissen gegessen, steht Flair neben dem Tisch und Pawlow lässt grüßen. Erst Pepper und dann Flair. Was passiert in Teil 3 des morgendlichen Rituals, wenn die Hunde ihren Happen bekommen haben ? Ist doch klar: Sie marschieren gemeinsam zurück in Herrchens Bett, denn sie wissen: 1. es gibt keinen weiteren Happen - 2. Herrchen geht ins Büro - 3. Frauchen schaltet den PC ein und liest ihre Post. 

Herrchens vorangegangene Schilderung möchte ich mit der folgenden Erläuterung spezifizieren:

RITUALE werden im Wörterbuch folgendermaßen erläutert: feierlicher Brauch, Gottesdienstordnung, RITUALISIERUNG bedeutet "Zur Regelmäßigkeit steigern."
In der Verhaltenslehre versteht man darunter, dass ursprüngliche Verhaltensweisen eine andere Bedeutung erhalten. Das anfängliche Schnauzenstoßen der Welpen gegenüber der Mutter bedeutete: "Ich bin hungrig, hast Du Futter für mich?" Daraus entwickelt sich später ein Begrüßungsritual, bei dem unser Hund versucht, unsere Mundwinkel zu erreichen. 

 

In jedem Fall bedarf es aber der Kommunikation, d. h. es muss einen Sender und einen Empfänger geben. Hunde sind wahre Kommunikationskünstler - sowohl innerartlich als auch bezüglich der Verständigung zwischen Mensch und Hund. Senden WIR also immer die gleichen Signale, stellt der Hund dazu eine besondere Verknüpfung her, z. B. immer nach dem Fressen gibt es noch einen Kauknochen.

Rituale sind wichtiger Bestandteil im Zusammenleben vieler Spezies. Das Handgeben als Begrüßungsritual bei uns Menschen heißt so viel wie "schau, ich gebe Dir meine rechte Hand und trage demzufolge keine Waffe - ich komme in friedlicher Absicht". Unsicheren Hunden kann man z.B. mit Hilfe der ihnen bekannten Rituale und einem geordneten Tagesablauf Sicherheit vermitteln.
Doch dazu mehr bei einem weiteren Monatsthema.

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