Rudelstrukturen

Ich hatte gar keine Ahnung von Hunden als ich vor ein paar Jahren meine Frau kennenlernte. Meine Eltern hatten früher einen Boxer. Das ist aber über 40 Jahre her. Da war ich so ungefähr 6 Jahre alt. Heute erinnere ich mich kaum noch an diesen Hund.

Mittlerweile hat sich einiges geändert. Damit will ich nicht sagen, das ich jetzt ein erfahrener Hundehalter bin, der hier aus seinem Wissensschatz plaudern kann. Aber ich lebe nun fast 4 Jahre zusammen mit meiner Frau und derzeit drei Hunden und habe in dieser Zeit einiges gelernt. Wir fünf sind also ein Rudel und ich fühle mich dazugehörig - eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass ich von "meinem" Rudel sprechen kann, ohne daraus Besitzansprüche ableiten zu wollen.

Als Mitglied dieses Rudels sehe ich uns zunächst als Lebensgemeinschaft. Jeder hat gewisse Rechte und Pflichten. Jeder hat aber auch seinen persönlichen Freiraum. Das allein kennzeichnet aber noch nicht unser Rudel. Über diese Lebensgemeinschaft hinausgehend sind wir auch ein Team, d.h. niemand von uns kann und weiß so viel wie wir alle zusammen. Jeder hat nämlich Kenntnisse und Fähigkeiten, die herausragend sind. Erst dann, wenn jeder seine besonderen Fähigkeiten zum Wohle des gesamten Rudels einsetzt, sind wir ein Team.

Das klingt sehr theoretisch. In der Praxis sieht das dann beispielsweise so aus: Meine Frau sorgt - unter anderem - für das leibliche Wohl des Rudels. Sie kocht für uns und wählt die Lebensmittel so aus, dass es uns an keinen Aufbaustoffen mangelt. Das erfordert besondere Kenntnisse und Fähigkeiten, die sie zum Wohle aller Rudelmitglieder einsetzt.

Es ist so eine wichtige Aufgabe, dass das allein schon den höchsten Rang im Rudel rechtfertigen würde (vergleichbar mit einem Wolfsrudel, in dem der "Alpha" das Rudel auf der Jagd führt). Wir anderen wissen das und würden ihr diesen Rang nicht streitig machen. Allerdings nutzen wir jede Möglichkeit, an zusätzliche Nahrung zu kommen, achten aber darauf, dass meine Frau es nicht erfährt. Sie würde es uns nämlich verbieten und die "offiziellen" Mahlzeiten sofort reduzieren oder gar streichen. 

Ein weiteres Beispiel aus dem Leben inmitten eines Rudels:

Flair hat mehr Lebenserfahrung (Kenntnisse und Fähigkeiten) als Missie und ist genau wie sie ein Ridgeback, d.h. sie verfügt über die gleichen Kommunikationsmittel und hat ähnliche Instinkte. Wer aus unserem Rudel könnte also geeigneter sein, dieses alberne Kind "Missie" zu erziehen? Und so ist es auch.

Flair diszipliniert Missie

Flair ist diejenige, die Missie zeigt, wo ihre Grenzen sind, wie man z. B. nach Mäusen buddelt oder wie man sein Territorium  durch Kontrollgänge oder Alarmieren bewacht. Natürlich helfen auch die anderen Rudelmitglieder - allen voran meine Frau - bei der Erziehung. Nach Mäusen buddelt sie aber zu Demonstrationszwecken noch nicht.

Übrigens geht es auch umgekehrt. Missie zeigt der "Alten", dass es Spaß macht, hinter Stöckchen oder Bällen herzulaufen. Flair hatte sich schon fast auf ihr "Altenteil" zurückgezogen bis Missie zu uns kam. Nun spielt sie wieder häufig mit der "Kleinen" - oder gehört das auch zu Flairs Erziehungsmaßnahmen?

Missie und Pepper

Auch Pepper hat sowohl vor einigen Jahren Flair als auch zur Zeit Missie vieles beigebracht, z.B. dass es eine Belohnung gibt, wenn man Frauchens "Kommandos" befolgt oder dass es zwischen den Spielphasen auch Ruhezeiten geben muss - man andernfalls auch mal in die Ohren gezwickt wird. 

Vielleicht noch ein paar Worte zum Thema Rangfolge im Rudel. Ich kann dazu als Rudelmitglied nur sagen, dass meine Frau eindeutig den höchsten Rang bekleidet, weil sie ihre Fähigkeiten so geschickt einsetzt, dass sie von uns gern als "Chefin" akzeptiert wird. Missie hat allein aufgrund ihres Alters den geringsten Rang inne. Die Plätze dazwischen teilen sich Pepper, Flair und meine Wenigkeit - wobei ich sagen muss, dass ich durchaus schon ein würdiger "Beta" bin, da ich mir im Laufe der Zeit viel vom "Alpha" abgeguckt habe.

Eine alte Indianerweisheit besagt übrigens: Es gibt Häuptlinge (=Alphas) und Führer. Führer ernennen sich selbst dazu, weil sie gern Macht ausüben wollen, aber Häuptlinge werden gewählt, weil sie über besondere Eigenschaften verfügen, die für die gesamte Gruppe von Nutzen sind.

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